EU recommendations on decentralised Elements in clinical trials – Das Wichtigste in Kürze

Sie ist da – die erste Leitlinie der Europäischen Union zu digitalisierten/dezentralen Studien!

Hier geht’s zum Dokument der EU.

Wer hat es veröffentlicht?

Die Accelerating Clinical Trials in the EU (ACT EU) Initiative, bestehend aus der europäischen Kommission, der Heads of Medicines Agencies (HMA) und der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)

Wo gilt diese Leitlinie?

Diese Leitlinie gilt wurde für Arzneimittelstudien entwickelt und enthält einige für Arzneimittelstudien spezifische Elemente. Sie gilt aber auch Medizinprodukte- und In-vitro-Diagnostika Studien, die in Europa durchgeführt werden.

Wofür das Ganze?

Klinische Studien werden digital und wir bei MEDIACC verstehen uns als Pioniere der Digitalisierung klinischer Studien in Deutschland. Während wir bereits in den letzten Jahren Studien mit einzelnen digitalen und dezentralen Elementen umgesetzt hatten (hybride Studien), starten wir zurzeit die ersten voll digitalisierten klinischen Studien. Nun endlich hat die ACT Initiative der Europäischen Union eine erste Leitlinie zur Umsetzung von klinischen Studien mit digitalen bzw. dezentralen Elementen veröffentlicht und bietet damit erste Orientierung für die Umsetzung moderner klinischer Studien.

Wichtig: Es handelt sich um Empfehlungen, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden sollen. Die geltenden EU-Verordnungen und nationalen Bestimmungen, insbesondere die DSGVO der EU, sind zu beachten, welche im Einzelfall auch strenger ausfallen können.

Die Empfehlungen befassen sich mit den Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Sponsor und Prüfer:in, der elektronischen Einwilligung nach Aufklärung, den prüfungsbezogenen Verfahren und der Verabreichung von Prüfpräparaten im häuslichen Umfeld sowie der Datenverwaltung und der Überwachung im Rahmen einer dezentralisierten klinischen Prüfung.

Generell gilt: Die Rechte, Sicherheit, Würde und Wohlergehen der Studienteilnehmer:innen haben immer oberste Priorität und dürfen nicht durch die Einführung digitaler Elemente zusätzlich gefährdet werden. Jeder zusätzliche Aufwand für die Studienteilnehmer:innen muss vorsichtig gegen die Vorteile der Digitalisierung abgewogen werden.

Zentrale Prozesse im Prüfzentrum gewähren eine höhere Patient:innensicherheit und sind in der Regel vorzuziehen bzw. sollen bei der Einführung dezentraler/digitaler Elemente den Studienteilnehmer:innen zusätzlich angeboten werden. Ausnahmen sind möglich, müssen aber gut begründet werden.

Wie dezentrale/digitale Elemente in klinischen Studien umgesetzt werden, kommt immer auf den Einzelfall an und hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Typ der klinischen Studie
  • Studienpopulation, z.B. gesunde Erwachsene oder minderjährige Patient:innen
  • Art der Indikation, z.B. sonst gesunde Raucher:innen oder Patient:innen mit schwerer Depression
  • Art der Datenerhebungen, z.B. subjektive Fragebögen oder invasive ärztliche Untersuchungen
  • Typ des Produkts und Entwicklungsstands z.B. niedrige (medizinische App) oder hohe Risikoklasse (Herzschrittmacher)
Wir können uns Folgendes merken: Je vulnerabler die Population, je weniger Daten über Wirksamkeit und Sicherheit des Produkts vorliegen, je komplexer das Studienkonzept und die Risiken, die damit einhergehen, desto eher soll auf dezentrale Elemente außerhalb des Prüfzentrums verzichtet werden. Es kommt dabei immer auf den Einzelfall an und ein dezentraler Prozess muss genau beschrieben und Risiken für Studienteilnehmer:innen abgewogen werden (risikoadäquater Ansatz). Dies gilt insbesondere für sogenannte “Critical-to-quality factors” (definiert nach ICH E8-R1 Guideline).

Die Perspektive von erfahrenen medizinischen Fachkräften und Prüfer:innen sowie Patient:innen muss frühzeitig – schon währen der Studienplanung - eingeholt werden.

Eine Zusammenfassung der in der klinischen Prüfung geplanten dezentralen Elemente soll in den Anschreiben von Anträgen enthalten sein.

Für Studien ohne Prüfzentren, d.h. ohne Anbindung an die übliche Patientenversorgung, müssen Schutz und Sicherheit der Patient:innen sichergestellt werden (Bewertung des Risikoprofils der einzelnen Patient:innen, einschließlich geeigneter anamnestischer Informationen, körperlicher Untersuchung und Labor- oder Bildgebungsdaten durch verantwortliche Prüfer:innen mit dem erforderlichen spezifischen medizinischen Hintergrund der Prüfpopulation). Ausnahmen müssen im Ethikantrag begründet und im Einzelfall entschieden werden.

Für die Qualität, Validität und Integrität der Daten gelten die gleichen Anforderungen wie bei einer traditionellen Studie. Mögliche Herausforderungen (z.B. Anstieg von Studienabrecher:innen, geringere Compliance oder Ausschluss von bestimmten Menschen, wie digitale Analphabet:innen) und Maßnahmen zur Behebung müssen vorab ausführlich diskutiert werden.

Die elektronische Erhebung von klinischen Daten muss in Übereinstimmung mit der Richtlinie über computergestützte Systeme und elektronische Daten in klinischen Prüfungen (EMA/226170/2021) stattfinden.

Ein spezifischer Notfallplan ist nötig, um Risiken, die mit der Einführung eines digitalen Elements einhergehen, z.B. Ausfall eines Geräts, instabile Internetverbindung, zu minimieren. Dieser ist bei uns durch unser zertifiziertes Informationsmanagementsystem (ISO 27001) gegeben.

Rollen und Verantwortlichkeiten

Generell kann die Einführung dezentraler Elemente als eine Erweiterung der klinischen Prüfstelle um den Wohnort der Studienteilnehmer betrachtet werden, was eine zusätzliche Aufsichtspflicht für Prüfer:innen und Sponsoren mit sich bringt. Mit der Einführung dezentraler Elemente und ggf. zusätzlicher Dienstleister werden alternative Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen erforderlich und der Datenfluss und die Verantwortlichkeitsmatrix werden komplexer. Es gilt wie bisher, Verantwortlichkeiten im Protokoll detailliert und eindeutig zu bestimmen.

Insbesondere die Verantwortlichkeiten von externen Dienstleistern sind eindeutig zu beschreiben, zu begründen sowie vertraglich zu vereinbaren. Verantwortlichkeiten in Bezug auf medizinische Entscheidungen liegen weiterhin bei dem/der Prüfer:in, daher muss diese/r früh mit einbezogen werden. Wählt der Sponsor einen externen Dienstleister aus, der Aufgaben in der medizinischen Versorgung übernimmt, so darf der/die Prüfer:in die Verträge begutachten und dem Dienstleister Fragen stellen, um sicher zu stellen, dass der Dienstleister alle Anforderungen erfüllt. Der/die Prüfer:in darf auch Änderungen am Vertrag vornehmen, Dienstleister ggf. begründet ablehnen und ist dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiter:innen des externen Dienstleisters ausreichend fortgebildet sind.

Studienaufklärung

Der Einsatz von digitalen Werkzeugen während der Studienaufklärung, wie z.B. elektronische Signatur, ist möglich, soll aber genau vor dem Hintergrund des Studiendesigns, der Charakteristika der Population (z.B. Minderjährige) und zusätzlichen Risiken/Belastungen aber auch Vorteilen für die Studienteilnehmer:innen abgewogen werden. Das Aufklärungsgespräch darf in Ausnahmefällen digital stattfinden, wenn dies entsprechend begründet werden kann. Generell gilt: Je höher das Risiko für Studienteilnehmer:innen (siehe oben), desto eher soll die Aufklärung als persönliches Gespräch im Studienzentrum stattfinden. Studienteilnehmer:innen müssen immer die Möglichkeit haben, das Aufklärungsgespräch persönlich vor Ort bei einem Studienarzt/einer Studienärztin führen zu können. Nur in ordnungsgemäß begründeten Fällen darf darauf verzichtet werden.

Der Studienaufklärungsprozess und die verwendeten Methoden sind detailliert und Schritt für Schritt im Ethikantrag zu beschreiben, der auch eine Begründung für den Verzicht einer ärztlichen Untersuchung enthalten muss.

Folgendes muss im Prozess der Aufklärung dokumentiert werden: der Erhalt der Informationen durch den/die Studienteilnehmer:in, mögliche Diskussion zwischen der zur Einholung der Einwilligung qualifizierten Person und dem/der Studienteilnehmer:in und die Erteilung der Einwilligung, z.B. durch eine eSignatur, die den Anforderungen von EMA/226170/2021 entspricht.

Sollte das Gespräch komplett digital stattfinden, gilt Folgendes: Das Aufklärungsgespräch muss von Angesicht zu Angesicht in Echtzeit stattfinden, z.B. durch Videotelefonie. Ist der/die Studienteilnehmer:in nicht bekannt, muss die Identität durch den Studienarzt/die Studienärztin überprüft werden. Auch der/die Studienteilnehmer:in hat das Recht, die Identität des Studienarztes/der Studienärztin überprüfen. Abweichungen hiervon müssen eindeutig im Ethikantrag begründet werden und eine Beschreibung über die alternative Identitätsprüfung von Studienteilnehmer:in und Arzt/Ärztin sowie über die Nachweisführung, dass der/die Teilnehmer:in alle Informationen richtig verstanden hat, sind in diesem Fall dem Ethikantrag hinzuzufügen.

Kommunikationskanäle mit entsprechender Verschlüsselung sind zu nutzen, aber hier haben wir in Deutschland schon ausführlichere Vorgaben (siehe Bundesmantelvertrag der Ärzte (BMV-Ä).

Während des Gesprächs muss das Studienpersonal darauf Acht geben, ob individuelle Gegebenheiten der/des Studienteilnehmer:in die Nutzung digitaler Werkzeuge im Studienablauf beeinflussen könnten, z.B. digitale:r Analphabet:in.

Bei elektronischer Studieninformation ist abzuwägen, ob dadurch bestimmte Studienteilnehmer:innen diskriminiert werden, z.B. wenn diese andere Formen bevorzugen. In dem Fall müssen alternative Methoden zur Verfügung gestellt werden oder alternativ ist zu begründen, warum dies nicht nötig ist. Es ist sicherzustellen, dass die/der Studienteilnehmer:in die Studieninformation in einer Form erhält, die gespeichert und wieder abgerufen werden kann.

e-Signatur

Unabhängig vom Format der Unterschrift muss eine Rekonstruktion des Einwilligungsprozesses und Überprüfung der Validität der Unterschrift möglich sein. Es gelten die Anforderungen nach EMA/226170/2021 und nationale Bestimmungen.

Laut Stellungnahme des BfArM in diesem Dokument ist eine qualifizierte elektronische Signatur (VO (EU) Nr. 910/2014) für Studien nach AMG notwendig.

Bei Verwendung der e-Signatur müssen Studienteilnehmer:innen die Möglichkeit haben, eine elektronische Kopie der unterzeichneten und datierten Einwilligungserklärung herunterzuladen oder einen Ausdruck der elektronischen Kopie zu erhalten. Im Falle einer elektronischen Kopie muss diese vor Änderungen geschützt werden; jede Änderung muss die Unterschriften ungültig machen.

Ein Prozess für den elektronischen Widerruf der Einwilligung, einschließlich eines teilweisen oder vollständigen Widerrufs, muss vorab definiert werden. Dieser Prozess soll eine rechtzeitige Benachrichtigung des Prüfers/der Prüferin und einen Kommunikationsplan mit allen anderen Beteiligten umfassen. Widerrufe müssen natürlich auch außerhalb des Systems möglich sein, und dies soll vom/von der Prüfer:in protokolliert werden.

Studienprozeduren in häuslicher Umgebung von Studienteilnehmer:innen

Studienprozeduren dürfen außerhalb des Studienzentrums stattfinden, z.B. zu Hause bei dem/der Studienteilnehmer:in. Sie dürfen auch durch Studienteilnehmer:in selbst, besuchende Prüfärzt:innen oder anderweitig beauftrage Personen durchgeführt werden. Dabei darf kein erhöhtes Risiko für Studienteilnehmer:innen oder Verzerrung der Daten entstehen und die Compliance muss weiterhin überprüfbar sein.

Folgende Punkte müssen für Studienabläufe in häuslicher Umgebung berücksichtigt und ggf. angepasst werden:

  • Eignung der Räumlichkeit und Wohnsituation der Studienteilnehmer:innen für die Prozeduren (Ein- und Ausschlusskriterien)
  • Aufklärung der Studienteilnehmer:in über Prozeduren in ihrer häuslichen Umgebung
  • ggf. persönliche und soziale Eignung der Wohnsituation für Hausvisiten
  • Studienteilnehmer:innen könnten mehr als einen Wohnsitz haben
  • Prozedur durchführende Person ausreichend trainiert/eingewiesen und besitzt ggf. Erlaubnis zur Durchführung dieser Prozedur, z.B. Entnahme von Gewebeproben
  • Durchführung der Prozedur durch qualifiziertes Personal auch über Videotelefonie überwachbar
  • medizinische Tätigkeiten nur durch Ärzte durchführbar
  • sachgemäße Handhabung und Aufbewahrung von biologischen Stichproben weiterhin gewährleistet

Studienteilnehmer:innen sollen auch

  • Studienpersonal persönlich aufsuchen können, wenn sie es wünschen
  • Hilfestellung durch Studienpersonal für Studienprozeduren erhalten können, wenn sie es für die Datenerfassung brauchen
  • Geräte für die Datenerhebung durch die Sponsoren bereitgestellt bekommen, wenn sie ihre privaten Geräte dafür nicht verwenden wollen.

Überwachung eingehender Daten – SAE, Datenmanagement und Monitoring

Studienteilnehmer:innen, Prüfer:innen und Dienstleister müssen im Umgang mit den digitalen Werkzeugen zur Datenerhebung und insbesondere auch Handhabung von SAEs geschult werden. Für unterschiedlich erfasste SAE müssen Prozeduren zur Identifikation von Duplikaten entwickelt werden. Die Prüfung der Daten soll regelmäßig stattfinden, wobei Umfang und Frequenz abhängig sind von der Relevanz der Daten für Sicherheit und Wohlergehen der Patient:innen sowie für den Nachweis der Wirksamkeit. Die Strategie soll sich auch nach Besonderheiten der Studie, z.B. Datenerhebung durch Wearables, ausrichten.

Die Einrichtung von Benachrichtigungen und Warnhinweisen wird empfohlen, um SAE zeitnah zu erfassen. Eine Abschätzung über die Art der Warnhinweise sowie eine Beschreibung, wie mit diesen umgegangen werden soll und wer verantwortlich ist, muss Teil des Studienprotokolls sein, insbesondere, wenn ein digitales Werkzeug sicherheitskritische Daten erzeugt, die unmittelbare medizinische Behandlung erfordern. Dafür wird eine schematische Übersicht empfohlen. Der Sponsor muss sicherstellen, dass die digitalen Werkzeuge validiert sind und Warnhinweise rechtzeitig übertragen werden. Ein Notfallplan (z.B. Informationsmanagementsystem (ISO 27001) muss vorhanden sein für den Fall, dass ein Werkzeug nicht ordnungsgemäß funktioniert, z.B. Serverausfall der Studienplattform.

Studienteilnehmer:innen sollen im Voraus umfassend darüber informiert werden, wie mit digital erfassten Informationen umgegangen wird. Es muss klar gemacht werden, dass die Prüfer:innen diese Daten nicht in Echtzeit überprüfen können und dass sie sich bei besonderen Sicherheitsbedenken direkt an die Prüfer:innen zur Problemmeldung wenden müssen. Alle an der Studie beteiligten Parteien sollen eine Übersicht über den Datenfluss, idealerweise als Diagramm mit Erklärungen, erhalten.

Datenerfassung:

  • alle Datenerhebungsmittel sind sachgemäß zu konfigurieren und validieren
  • Risiko fehlerhafter Dateneingabe durch Studienteilnehmer:innen ist zu minimieren

Datentransfer:

  • Einsatz kryptografische Maßnahmen für Datenschutz bei Datentransfer auf Server
  • sofern Quelldaten an ihrem ursprünglichen Ort gelöscht wurden, nachdem sie an einen anderen Ort übertragen wurden, muss dieser 2. Ort sowohl die Quelldaten als auch deren Metadaten enthalten

Zugriffe auf Daten:

  • vorgesehene Datenzugriffe kontrolliert durch Nutzerrechte und Zugangsabläufe
  • Schutz vor unerlaubten Zugriffen z.B. durch Firewalls
  • Hauptprüfer:innen sollen fortlaufenden und vollständigen Zugriff auf dezentral und in Studienzentren erhobenen Quelldaten als auch alle an die Sponsoren gemeldete Quelldaten haben
  • Fernzugriff auf medizinische Daten durch Monitor oder Auditor gestattet, vorausgesetzt die Prüfärzte/-ärztinnen können dabei Vertraulichkeit der Patient:innenakten wahren (Stellungnahme BfArM in diesem Dokument)
Icon Quellen

Zeigen Sie den medizinischen Nutzen Ihres Produkts

Mit unserer langjährigen Erfahrung und Expertise bieten wir effektive Lösungen, um den medizinischen Nutzen Ihres Produktes zu zeigen.

Von der Konzeption bis zur Durchführung von präklinischen und klinischen Studien unterstützen wir Sie mit maßgeschneiderten Dienstleistungen.

Erfahren Sie, wie MEDIACC Ihnen zur Erstattungsfähigkeit Ihrer Produkte helfen kann.