MDCG 2024-10: Leitfaden zur klinischen Bewertung von Orphan-Medizinprodukten
Die Leitlinie MDCG 2024-10 „Clinical evaluation of orphan medical devices“ vom Juni 2024 bietet umfassende Informationen zur klinischen Bewertung von Orphan-Medizinprodukten (Medizinprodukte für seltene Erkrankungen) gemäß der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR). Der Schwerpunkt liegt auf den Anforderungen in MDR Kapitel VI und Anhang XIV, wobei Sonderanfertigungen, Eigenherstellungen, Produkte ohne medizinischen Zweck gemäß Anhang XVI und In-vitro-Diagnostika ausgeschlossen sind.
Ein Medizinprodukt gilt als Orphan-Produkt, wenn es für die Behandlung, Diagnose oder Prävention einer Krankheit oder eines Zustands bestimmt ist, der jährlich bei höchstens 12.000 Personen in der EU auftritt. Zusätzlich muss es entweder unzureichende Alternativen geben oder das Produkt muss einen erwarteten klinischen Nutzen im Vergleich zu verfügbaren Alternativen bieten.
Klinische Daten für Orphan-Medizinprodukte
Durch die Herausforderungen bei der Generierung klinischer Daten für Orphan-Produkte wird unter bestimmten Bedingungen eine Marktzulassung erlaubt, mit akzeptablen Einschränkungen bei präklinischen Daten. Dabei sollen jedoch ausreichend klinische Nachweise für den erwarteten klinischen Nutzen und die beabsichtigte Leistung bei akzeptabler Sicherheit vorliegen.
Die Anforderungen zur klinischen Bewertung von Orphan-Medizinprodukten gelten gemäß Artikel 61 und Anhang XIV der MDR. Zur Unterstützung der klinischen Bewertung von Orphan-Produkten können dann nicht-klinische Daten wie Laboruntersuchungen, Tierstudien und Computersimulationen herangezogen werden. Der klinische Bewertungsplan hat krankheitsspezifische und produktspezifische Faktoren zu berücksichtigen. Für ältere Orphan-Produkte können unter bestimmten Umständen klinische Daten aus der früheren Verwendung oder aus nicht zugelassenen (off-label) Anwendungen berücksichtigt werden.
Klinische Prüfungen von Orphan-Medizinprodukten
Die Durchführung klinischer Prüfungen für Orphan-Produkte kann aufgrund der begrenzten Patientenzahl herausfordernd sein, weshalb spezielle Strategien für Rekrutierung und Studiendesign empfohlen werden. Besonders in diesem Kontext erscheint die Einbeziehung von klinischen Experten und Patientenvertretern sinnvoll bei der Studienplanung, Rekrutierungsstrategien und Zusammenarbeit mit mehreren Zentren, um ausreichende Teilnehmerzahlen zu erreichen.
Klinische Prüfungen von Orphan-Medizinprodukten vor Markteintritt
Im Anhang A.2 des MDCG 2024-10-Dokuments werden Empfehlungen für klinische Prüfungen von Orphan-Medizinprodukten vor Markteintritt gegeben. Hierzu gehören:
- Sorgfältige Definition der Studienpopulation, die oft klein und vulnerabel ist.
- Festlegung von Zielen, die sich auf kurz- bis mittelfristigen klinischen Nutzen, Patientensicherheit und das Nutzen-Risiko-Verhältnis konzentrieren.
- Auswahl geeigneter Endpunkte, einschließlich patientenberichteter Ergebnisse.
- Anpassung des Studiendesigns an die Herausforderungen von Orphan-Produkten, z.B. durch Cross-over-, adaptive oder sequentielle Designs.
- Berücksichtigung alternativer statistischer Ansätze wie Bayessche Methoden aufgrund der begrenzten Patientenzahlen.
- Sorgfältige Auswahl von Vergleichsgruppen, wobei aktive Vergleiche bevorzugt werden, aber auch historische Kontrollen oder offene Studien akzeptabel sein können.
- Angemessene Qualitätssicherung zur Gewährleistung der Patientensicherheit.
Für Orphan-Indikationen kann die Extrapolation klinischer Daten aus Nicht-Orphan-Populationen angemessen sein, wobei Anhang A.3 Hinweise zur korrekten Datenübertragung gibt.
Klinische Prüfungen von Orphan-Medizinprodukten nach Markteintritt
Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen (eng. post-market clinical follow-up, PMCF) im Rahmen der Zweckbestimmung bzw. Überwachung nach dem Inverkehrbringen (engl. post-market surveillance, PMS) sind für Orphan-Medizinprodukte von besonderer Bedeutung. Aufgrund der nur begrenzt vorhandenen klinischen Daten vor Markteinführung ist ein strukturierter PMCF-Plan unerlässlich, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit dieser Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus zu gewährleisten.
Es wird empfohlen, dass der PMCF-Plan detaillierte Informationen zu identifizierten Datenlücken, deren Behebung, Art der zu generierenden Daten und Zeitrahmen enthält. Dabei ist die kontinuierliche Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils von entscheidender Bedeutung. PMCF-Untersuchungen sollen langfristige Nachbeobachtungen einschließen und möglichst viele Patienten erfassen, idealerweise über 90% der mit dem Produkt behandelten Patienten.
Außerdem werden Register als Instrument zur Wissensgenerierung empfohlen. Hersteller sollten, sofern möglich, bestehende Register nationaler Einrichtungen oder medizinischer Fachgesellschaften nutzen. Neben PMCF-Untersuchungen und Registern können auch andere klinische Daten aus der Routineanwendung (Real-World-Daten) zur Bewertung herangezogen werden. Diese sind besonders relevant für ältere Orphan-Produkte und helfen bei der Erkennung seltener Komplikationen sowie dem Verständnis von Einflussfaktoren wie z. B. Ethnizität, Geschlecht, Physiologie etc. Ein detaillierter Risikomanagementplan wird empfohlen, um Risiken während des PMCF zu überwachen, zu bewerten und zu mindern. Hersteller sollen in der Lage sein, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, wenn die gesammelten Daten neue Bedenken hinsichtlich der Sicherheit oder Leistung der Produkte aufwerfen.
Aufgaben und Pflichten Benannter Stellen im Kontext von Orphan-Medizinprodukten
Ein zentraler Aspekt ist die frühzeitige Überprüfung des Orphan-Device-Status durch eine Benannte Stelle, gefolgt von einer gründlichen Bewertung der technischen Dokumentation und klinischen Bewertung. Dabei ist vor allem auf die Besonderheiten von Orphan-Geräten zu achten, insbesondere auf möglicherweise begrenzte präklinische Daten und geplante PMCF-Aktivitäten.
Um Flexibilität zu gewährleisten, können Benannte Stellen Zertifikate mit spezifischen Bedingungen ausstellen, etwa die Durchführung bestimmter PMS- oder PMCF-Aktivitäten oder Anforderungen zur angemessenen Information der Nutzer. Die fortlaufende Überwachung soll die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts gewährleisten. Außerdem soll die Einhaltung der Zertifizierungsbedingungen streng kontrolliert werden, wobei Nichteinhaltung im Extremfall zur Aussetzung oder Rücknahme des Zertifikats führen soll. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, trotz möglicher Einschränkungen bei den präklinischen Daten die Sicherheit und Wirksamkeit von Orphan-Medizinprodukten sicherzustellen.
Die MDCG 2024-10-Leitlinie bietet umfassende Informationen zur klinischen Bewertung von Orphan-Medizinprodukten gemäß der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und betont die Bedeutung klinischer Nachweise für den erwarteten Nutzen und die Leistung bei akzeptabler Sicherheit, wobei spezielle Strategien für klinische Prüfungen, die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen und die Rolle Benannter Stellen bei der Bewertung und Zertifizierung von Orphan-Medizinproduktenhervorgehoben werden.
Quelle und detaillierte Informationen: https:// health.ec. europa.eu/document/download/daa1fc59-9d2c-4e82-878e-d6fdf12ecd1a_en?filename=mdcg_2024-10_en.pdf (Leerstellen für Link löschen)
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