Entwurf des Medizinforschungsgesetzes vom 29.05.2024

Der Deutsche Bundestag hat am 6. Juni 2024 die erste Lesung des Entwurfs für ein Medizinforschungsgesetz (Drucksache 20/11561) durchgeführt. Die Vorlage der Bundesregierung wurde anschließend zur detaillierten Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen. Mit diesem Gesetz soll Deutschland seine Position in der internationalen Spitzenforschung wieder stärken und den in den vergangenen Jahren entstandenen Rückstand aufholen. Schwerpunkte sind die klinische Forschung mit Arzneimitteln, strahlenschutzrechtliche Rahmenbedingungen und in geringerem Maße auch die Medizinprodukteherstellung. Hierfür müssen bereits bestehende Gesetze entsprechend geändert werden. Insbesondere soll die Durchführung dezentraler klinischer Prüfungen erleichtert werden.

Durch das neue Medizinforschungsgesetz werden folgende bestehende Gesetze zum Teil umfangreich angepasst: Arzneimittelgesetz (AMG), Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), Strahlenschutzgesetz (StrlSchG), Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) sowie Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Inhalte des Gesetzesentwurfes

Zentrale Punkte des Gesetzesentwurfes sind:

  • Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen bei gleichzeitiger Wahrung hoher Sicherheitsstandards
  • Erleichterung dezentraler klinischer Prüfungen durch Erweiterung des Sondervertriebswegs für Prüf- und Hilfspräparate
  • Einrichtung einer spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
  • Verbesserung der Koordination zwischen den für die Arzneimittelzulassung zuständigen Bundesoberbehörden
  • Möglichkeit zur Beanspruchung vertraulicher Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel
  • Verzahnung strahlenschutzrechtlicher Verfahren mit arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren
  • Abbau von Doppelprüfungen durch unterschiedliche Ethikkommissionen sowie Verkürzung von Prüffristen im Strahlenschutzrecht
  • Erstellung von Standardvertragsklauseln für die Verantwortungsabgrenzung bei und Finanzierung von klinischen Prüfungen

Diese Maßnahmen sollen die Attraktivität des Forschungs- und Produktionsstandorts Deutschland stärken, den Zugang zu neuen Therapieoptionen beschleunigen und Wachstum sowie Beschäftigung fördern.

Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen

Laut Gesetzentwurf sollen die Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen durch folgende Maßnahmen vereinfacht und beschleunigt werden, während gleichzeitig hohe Sicherheitsstandards gewahrt bleiben:

  • Erweiterung des Sondervertriebswegs für Prüf- und Hilfspräparate durch Änderung des § 47 Arzneimittelgesetz (AMG). Dies soll den Versand von Prüfmedikation direkt an die Teilnehmer ermöglichen.
  • Vereinfachung der Kennzeichnung von Prüf- und Hilfspräparaten durch Ergänzung des § 10a AMG. Dies erleichtert die Handhabung bei dezentralen Studien.
  • Beschleunigung der Genehmigung mononationaler klinischer Prüfungen durch Änderung des § 40 Absatz 4 AMG. Dies soll Verfahren für dezentrale Studiendesigns vereinfachen.
  • Verkürzung von Prüffristen im Strahlenschutzrecht und Angleichung an die Fristen der Genehmigung klinischer Prüfungen.
  • Bessere Koordinierung der Zulassungsverfahren zwischen den zuständigen Bundesoberbehörden, BfArM und Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Anpassung bezogen auf das MPDG

Bezogen auf das MPDG sind folgende Änderungen geplant:

  • Genehmigungs- oder anzeigebedürftige Strahlungsanwendung im Rahmen einer klinischen Prüfung im Sinne des Artikels 2 Nummer 45 der Verordnung (EU) 2017/45 oder einer sonstigen klinischen Prüfung im Sinne des § 3 Nummer 4 bzw.
  • § 32 neu einzurichtende spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren;
  • § 33 bestimmt die Zuständigkeit der neu einzurichtenden spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren sowie für die Beantragung bei der Ethikkommission, aktuell für therapiebegleitende Diagnostika, die für die sichere und wirksame Verwendung eines dazugehörigen Arzneimittels bestimmt sind und für das die spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren nach § 41c des Arzneimittelgesetzes zuständig ist;
  • eine vorgeschlagene Änderung des § 47 Absatz 3 MPDG erweitert den Umfang der Ausnahmen für bestimmte sonstige klinische Prüfungen insofern, als dass für Medizinprodukte mit CE-Kennzeichnung, deren prüfungsbezogene Verwendung im Rahmen seiner Zweckbestimmung erfolgt und bei dessen Verwendung keine zusätzlichen invasiven oder belastenden Verfahren stattfinden, die Voraussetzungen der §§ 25 und 30 MPDG nicht anzuwenden sind

Anstehende Änderungen von sonstigen klinischen Prüfungen von Medizinprodukten

Durch das geplante Gesetz ergeben sich Änderungen für sonstige klinische Prüfungen (gemäß Definition im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) in § 3 (4)), wobei die Anforderungen an sonstige klinische Prüfungen in § 47 ausgeführt werden.

Die vorgeschlagene Änderung des § 47 Absatz 3 MPDG erweitert den Umfang der Ausnahmen für bestimmte sonstige klinische Prüfungen. Der geänderte Satz würde dann lauten: "Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 25 und 30 gelten nicht für sonstige klinische Prüfungen, die [...]"

Diese Änderung bewirkt eine Erweiterung der Ausnahmeregelung: Neben den bereits bestehenden Ausnahmen von den Absätzen 1 und 2 des § 47 werden nun auch die §§ 25 und 30 für bestimmte sonstige klinische Prüfungen ausgenommen.

§ 25 MPDG: Dieser Paragraph bezieht sich auf die Anforderungen bei ausschließlich national durchgeführten oder bei national und in Drittstaaten durchgeführten klinischen Prüfungen, Leistungsstudien und sonstigen klinischen Prüfungen. Neu ist, dass bei diesen kein Sponsor oder rechtlicher Vertreter mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat beteiligt sein muss.

§ 30 regelt Qualifikationen und Pflichten von Prüfern, Hauptprüfern und Leitern einer klinischen Prüfung, Leistungsstudie oder sonstigen klinischen Prüfung.

Die genauen Auswirkungen hängen jedoch von der konkreten Ausgestaltung und Interpretation des Gesetzes ab.

Eigene Stellungnahme

Als Spezialist für digitale klinische Studien von Medizinprodukten begrüßt die MEDIACC GmbH grundsätzlich die Initiative der Bundesregierung, die Rahmenbedingungen für klinische Forschung in Deutschland zu verbessern. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält einige vielversprechende Ansätze, wirft aber auch kritische Fragen auf.

Die geplanten Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen waren aus unserer Sicht dringend notwendig; inwieweit sie tatsächlich zu einer aus Sicht der Forschenden und der Wirtschaft sehnlich erwarteten Effizienzsteigerung führen, bleibt abzuwarten.

Die Maßnahmen zur Erleichterung dezentraler klinischer Prüfungen sind ein guter Schritt in die richtige Richtung, wecken jedoch unter dieser Überschrift zu große Hoffnungen und geben den Beteiligten nicht die erhoffte Richtungsweisung und Vereinfachung zur Verbesserung aller digitalen Prozessen. Der Gesetzentwurf ist zudem stark auf Arzneimittelstudien ausgerichtet, regelt immerhin längst überfällig Vorgaben für die klinische Forschung bezogen auf das Strahlenschutzgesetz. Angesichts der weltweit zunehmenden Bedeutung von Studiendesigns mit digitalen Elementen fehlen im Gesetzentwurf konkrete Regelungen zum Datenschutz und zur Förderung der Digitalisierung in klinischen Studien. Hier braucht innovative und sichere Erweiterungen des Regelwerks, um Deutschland als Forschungsland im internationalen Wettbewerb attraktiv zu machen. Der Gesetzentwurf enthält immerhin wichtige Ansätze zur Verbesserung der klinischen Forschung in Deutschland und wir wünschen uns, dass er einen Beitrag zur Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland leistet.

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(Stand Juli 2024)

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