EU-Leitfaden für statistische Analysen in gemeinsamen klinischen Bewertungen
Die Europäische Kommission hat einen Leitfaden für den Umgang mit Multiplizitätsproblemen und ergänzenden Analysen in gemeinsamen klinischen Bewertungen (Joint Clinical Assessments, JCA) veröffentlicht. Der am 10. Juni 2024 verabschiedete Leitfaden richtet sich an Gutachter und Mitglieder von Bewertungsteams.
Ziel ist es, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, auf nationaler Ebene eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, ohne einen bestimmten Ansatz zu bevorzugen, wobei die Empfehlungen implizit davon ausgehen, dass Entwickler von Gesundheitstechnologien (HTD) angemessene Analysen und Informationen bereitstellen.
Der Leitfaden definiert wichtige Begriffe wie Multiplizität, Subgruppenanalysen und Sensitivitätsanalysen. Er betont die Bedeutung der Kontrolle des Fehlers erster Art bei multiplen statistischen Tests und erklärt verschiedene Ansätze dafür. Für Subgruppenanalysen wird die Verwendung geeigneter Interaktionstests empfohlen, während bei Sensitivitätsanalysen der Fokus auf der Untersuchung der Robustheit der Ergebnisse liegt.
Multiplizitätsprobleme
Multiplizität entsteht durch die Durchführung mehrerer statistischer Hypothesentests, was das Risiko von falsch-positiven Ergebnissen erhöht. Der Leitfaden unterscheidet zwischen:
- Multiplizität durch mehrere Endpunkte
- Multiplizität durch Interimsanalysen
- Multiplizität durch mehrere Behandlungsgruppen
Um Multiplizitätsprobleme zu adressieren, werden verschiedene statistische Verfahren zur Kontrolle der familienweisen Fehlerrate (Family Wise Error Rate, FWER) empfohlen.
Interimsanalysen
Interimsanalysen sind Analysen von Studiendaten zur Wirksamkeit, die vor dem formalen Abschluss einer Studie durchgeführt werden. Sie können zu mehreren Analysen für einen bestimmten Endpunkt vor Studienende führen und sollten ggf. vorab definiert werden (und ihre Auswirkungen ebenso). Es treffen u. a. folgende weitere Eigenschaften zu:
- Die Analysen haben ethische und wissenschaftliche Vorteile, können aber auch methodische Nachteile haben, einschließlich einer potenziellen Erhöhung des Typ-I-Fehlers, wenn sie nicht angemessen gehandhabt werden.
- Die Ergebnisse können verwendet werden, um Entscheidungen über einen vorzeitigen Studienabbruch zu treffen. Gründe dafür können sein:
- Klar nachgewiesene Überlegenheit der untersuchten Behandlung(en)
- Bestätigung, dass eine Überlegenheit unwahrscheinlich ist
- Inakzeptable Nebenwirkungen
Für Interimsanalysen gelten spezielle Berichtsanforderungen, wie die Angabe des Stichtagsdatums und die Berichterstattung über Auswirkungen auf die Studiendurchführung. Bei vorzeitigem Studienabbruch soll die Abbruchregel angegeben werden. Wenn die finale Analyse noch nicht verfügbar ist, müssen die Ergebnisse der letzten vorab spezifizierten Interimsanalyse berichtet werden.
Ergänzende Analysen
Als ergänzende Analysen werden definiert:
- Subgruppenanalysen: Zur Identifizierung von Unterschieden in der Behandlungswirkung zwischen Patientengruppen. Es wird die Verwendung geeigneter Interaktionstests empfohlen.
- Sensitivitätsanalysen: Zur Untersuchung der Robustheit der Ergebnisse gegenüber Änderungen in den Annahmen. Besonders wichtig bei fehlenden Daten.
- Post-hoc-Analysen: Ungeplante Analysen, die nach Kenntnis der Studienergebnisse durchgeführt werden. Diese sollten klar als solche gekennzeichnet und vorsichtig interpretiert werden.
Subgruppenanalysen
Subgruppenanalysen sind Analysen, die durchgeführt werden, um zu untersuchen, ob der Behandlungseffekt in verschiedenen Untergruppen von Patienten unterschiedlich ist. Diese Untergruppen werden typischerweise durch Grundcharakteristika wie Alter, Geschlecht oder Krankheitsschwere definiert. Der Leitfaden betont, dass Subgruppenanalysen mit Vorsicht interpretiert werden sollten, und empfiehlt die Verwendung von geeigneten Interaktionstests.
Sensitivitätsanalysen
Sensitivitätsanalysen sind Analysen, die durchgeführt werden, um die Robustheit der Studienergebnisse gegenüber Änderungen in den Annahmen oder Methoden zu untersuchen. Sie sind besonders wichtig, wenn es Unsicherheiten in den Daten gibt, wie z.B. bei fehlenden Werten. Sensitivitätsanalysen können verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel die Verwendung alternativer statistischer Methoden oder die Einbeziehung oder den Ausschluss bestimmter Datenpunkte.
Ein zentraler Aspekt sind detaillierte Berichtsanforderungen. Diese umfassen:
- Die klare Beschreibung der angewandten statistischen Methoden
- Die Angabe, ob Analysen vorab geplant waren
- Die Bereitstellung aller relevanten Ergebnisse mit entsprechenden Statistiken
Besondere Anforderungen gelten für multiple Datenschnitte, Interimsanalysen, Subgruppenanalysen und Sensitivitätsanalysen.
Der Leitfaden geht auch auf spezifische Herausforderungen bei Evidenzsynthesen ein, wie den Umgang mit multiplen End- oder Zeitpunkten. Er betont die Bedeutung der Vorspezifikation von Analysen und diskutiert Möglichkeiten, Multiplizitätsprobleme in Metaanalysen zu adressieren.
Insgesamt zielt der Leitfaden darauf ab, die Qualität und Konsistenz von JCAs zu verbessern, indem er klare Richtlinien für den Umgang mit statistischen Herausforderungen wie Multiplizität, Subgruppenanalysen und Sensitivitätsanalysen bereitstellt. Hierdurch sollen Robustheit und Zuverlässigkeit der präsentierten Ergebnisse besser einschätzbar werden und somit fundiertere Entscheidungen im Gesundheitswesen möglich werden.
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Quelle und detailliertere Informationen: EU-Leitfaden herunterladen
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