Klinische Prüfungen von Medizinprodukten - wenn sie im Rahmen der Klinischen Bewertungen nötig sind

Die klinische Bewertung ist die systematische und geplante Analyse und Bewertung von klinischen Daten, um die Sicherheit und Leistung eines Produkts zu belegen, gemäß Anhang I der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR)‍. Hersteller definieren den Umfang des erforderlichen klinischen Nachweises und führen klinische Bewertungen gemäß Artikel 61 und Anhang XIV Teil A durch.

Der Stellenwert von Klinischen Prüfungen und Klinischen Bewertungen für Medizinprodukte nach der MDR)

Zentrale Elemente der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte, die sog. Medical Device Regulation (MDR), sind klinische Bewertungen und klinische Prüfungen, die für die Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten von entscheidender Bedeutung sind. Diese finden sich in Kapitel IV in den Artikeln Art. 61, 62 ff, Art. 74 und Art. 82.

Hersteller von Klasse III- und bestimmten Klasse IIb-Produkten können ein Expertengremium konsultieren, um ihre klinische Entwicklungsstrategie zu prüfen. Deren Stellungnahmen werden im klinischen Bewertungsbericht dokumentiert.

Klinische Bewertungen basieren auf einer kritischen Bewertung relevanter wissenschaftlicher Literatur, einer kritischen Bewertung aller verfügbaren klinischen Prüfungen und auf der Berücksichtigung anderer Behandlungsoptionen.

Für viele implantierbare Produkte (wie Stents oder Endoprothesen) und Klasse III-Produkte (höchste Risikoklasse) sind klinische Prüfungen erforderlich, außer wenn das Produkt durch Änderungen eines bereits von demselben Hersteller in Verkehr gebrachten Produkts konzipiert wurde, gleichartig zu einem bereits in Verkehr gebrachten Produkt und dies von der Benannten Stelle bestätigt oder die klinische Bewertung des in Verkehr gebrachten Produkts ausreichend ist, um zu zeigen, dass das geänderte Produkt die Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt. In dem Plan für klinische Nachbeobachtungen nach dem Inverkehrbringen wird die Benannte Stelle, dass durch Studien die Sicherheit und Leistung nachgewiesen werden kann.

Hersteller gleichartiger Produkte können u. U. klinische Prüfungen vermeiden, wenn sie Zugang zur technischen Dokumentation des ursprünglichen Herstellers haben und die ursprüngliche klinische Bewertung MDR-konform ist. Klinische Prüfungen sind nicht erforderlich für Produkte, die gemäß früheren Richtlinien rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden oder bestimmte Produkte wie Nahtmaterial. Der Nachweis der Übereinstimmung mit Sicherheits- und Leistungsanforderungen kann ausnahmsweise auf nicht-klinischen Testmethoden basieren, wenn dies angemessen begründet wird.

Klinische Prüfungen nach MDR, Art. 62 ff

Klinische Prüfungen nach Art. 62 werden darüber hinaus durchgeführt als Teil einer klinischen Bewertung, zur Feststellung oder Überprüfung

  • seiner Eignung für einen spezifischen Zweck oder seiner Leistung,
  • des vom Hersteller angegebenen klinischen Nutzens oder
  • der Sicherheit, inkl. der unerwünschten Nebenwirkungen bzw. zur Risiko-Nutzen-Analyse.

"Sonstige klinische Prüfungen"

Hiervon zu unterscheiden sind "klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen" nach Art. 74 für Medizinprodukte, die bereits CE-gekennzeichnet sind und hierbei zusätzliche, belastende oder invasive Verfahren für die Teilnehmenden geplant sind. Hierbei gelten spezielle Regelungen, um die Sicherheit und Rechte der Teilnehmer zu schützen. Wenn die Prüfung das CE-gekennzeichnete Produkt für einen anderen Zweck als den ursprünglich vorgesehenen bewertet, müssen alle relevanten Artikel von 62 bis 81 der Verordnung eingehalten werden.

Weitere "sonstige klinische Prüfungen" nach Art. 82 haben in großen Teilen vergleichbare Anforderungen wie klinische Prüfungen nach Art. 62 und werden hiernach durchgeführt, wenn nicht zu einem der in Art. 62 (1) genannten Zwecke.

In Deutschland werden ergänzend zur Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) sog. "sonstige klinische Prüfungen" im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) in §3 (4) definiert und §47 ausgeführt. Demnach ist eine "sonstige klinische Prüfung" eines Medizinprodukts ist eine Prüfung, die:

a) nicht Teil eines geplanten Prozesses zur Entwicklung oder Überwachung des Produkts durch den aktuellen oder zukünftigen Hersteller ist,

b) nicht durchgeführt wird, um nachzuweisen, dass das Produkt den Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 entspricht,

c) dazu dient, wissenschaftliche oder andere Fragen zu beantworten, und

d) außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans gemäß Anhang XIV Teil A der Verordnung (EU) 2017/745 stattfindet.

Eine "sonstige klinische Prüfung" nach Art. 82 (1) der Verordnung (EU) 2017/745 und des Abschnitts 1 darf nach §47 MPDG nur durchgeführt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  1. Risiko-Nutzen-Verhältnis: vorhersehbaren Risiken und Belastungen müssen im Vergleich zum erwarteten Nutzen für die Teilnehmenden vertretbar sein.
  2. Minimierung von Schmerzen und Beschwerden: möglichst wenig Schmerzen, Beschwerden und Risiken für die Teilnehmenden. Diese müssen im Prüfplan definiert und ständig überprüft werden.
  3. medizinische Betreuung: Ein qualifizierter Arzt oder Zahnarzt muss für die medizinische Versorgung der Teilnehmer verantwortlich sein.
  4. keine unzulässige Beeinflussung: keine unzulässigen Anreize, wie finanzielle Vorteile.
  5. geeignete Prüfstelle: Die Prüfzentrum (Prüfstelle) und ihre Räumlichkeiten müssen für die Prüfung geeignet sein.
  6. zustimmendes Votum durch die zuständige Ethik-Kommission.
  7. Anzeige bei der zuständigen Bundesoberbehörde.

Diese vorgenannten 7 Punkte gelten nicht, wenn das Medizinprodukt bereits eine CE-Kennzeichnung hat, die Prüfung im Rahmen der vorgesehenen Zweckbestimmung erfolgt und die Teilnehmer keinen zusätzlichen belastenden oder invasiven Verfahren unterzogen werden. Es besteht jedoch für Ärzte die Verpflichtung, eine Beratung nach Berufsrecht bei einer Ethik-Kommission einzuholen (vgl. § 15 Muster-Berufsordnung für Ärzte der Bundesärztekammer). Es gelten außerdem die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen. Durch den § 47 Abschnitt 3 des MPDG werden lediglich die Vorgaben aus den vorangegangenen Absätzen 1 und 2 aufgehoben werden, jedoch nicht gesetzliche Vorgaben, die sich aus anderen Gesetzesstellen ergeben. Ob Verfahren als invasiv oder belastend angesehen werden, ist gegenüber der Ethik-Kommission ausreichend zu begründen.

Alle klinischen, klinische Prüfung nach dem Inverkehrbringen und "sonstige klinische" Prüfungen sind so zu planen und durchzuführen, dass die Rechte, Sicherheit, Würde und das Wohl der Teilnehmenden stets an erster Stelle stehen. Die Daten, die dabei gewonnen werden, müssen wissenschaftlich fundiert und verlässlich sein. Hierfür ist ausreichend Erfahrung und Kompetenz vonnöten. Jede klinische Prüfung wird sowohl wissenschaftlich als auch ethisch geprüft. Ein Prüfer in einer klinischen Prüfung ist eine fachlich anerkannte Person, die durch ihre wissenschaftlichen Kenntnisse und Erfahrung in der Patientenbetreuung dafür qualifiziert ist.

Die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) stellt klinische Prüfungen und Bewertungen in den Mittelpunkt, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten nachzuweisen.

Klinische Bewertungen basierend auf wissenschaftlicher Literatur und Studien sind für alle Risikoklassen verpflichtend. Für implantierbare und Klasse III-Produkte sind in den meisten Fällen zusätzlich klinische Prüfungen erforderlich. Die MDR definiert klare Anforderungen für die Planung, Durchführung und Überwachung dieser Prüfungen, um höchste Qualitätsstandards zu gewährleisten. Nur durch den Nachweis der klinischen Sicherheit und Leistung mittels robuster Evidenz können Medizinprodukte die Zulassung erhalten. Die Einhaltung der MDR-Vorgaben zu klinischen Prüfungen und Bewertungen ist daher unerlässlich für Hersteller.

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(Stand: Frühjahr 2023)

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