Klinische Prüfungen von Medizinprodukten mit CE-Kennzeichen, regulatorische Einordnungen
Zur regulatorischen Einordnung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten mit CE-Kennzeichen:
Sowohl Hersteller als auch wissenschaftlich tätige Ärzt:innen stehen gelegentlich vor der Frage, welche regulatorischen Anforderungen für sie und ihr wissenschaftliches Vorhaben bzw. ihre klinische Studie gelten, wenn folgende Annahmen ALLE zutreffen:
- geplante klinische Studie
- Einbeziehung von Studienteilnehmende mit Erkrankungen (Patientinnen und Patienten)
- CE-gekennzeichnetes Medizinprodukt, verwendet im Rahmen der Zweckbestimmung
- OHNE zusätzliche invasive oder belastende Verfahren
Für alle diese Fälle ist eine Beratung durch die Ethikkomission erforderlich, bevor die Studie begonnen werden darf. Zuständig für Studien mit nur einem Zentrum ist die für den Hauptprüfer (bzw. der Hauptprüferin) zuständige Ethikkommission, bei Studien mit mehreren Zentren die für den Leiter der Klinischen Prüfung (bzw. die Leiterin) zuständige Ethikkommission. Eine Bundesoberbehörde muss jeweils nicht eingebunden werden.
ACHTUNG: Das oben genannte und die nachfolgenden Beispiele gelten NUR für klinische Studien, die wie oben beschrieben im Rahmen der Zweckbestimmung UND ohne zusätzliche invasive oder belastende Verfahren mit Medizinprodukten der Risikoklasse I und IIa (niedriges und mittleres Risikopotential) durchgeführt werden. Für Medizinprodukte einer höheren Risikoklasse (IIb und III, hohes und sehr hohes Risikopotential) sind die zuständigen Behörden einzubinden!
Je nach Szenario können sich jedoch unterschiedliche weitere Pflichten für den Sponsor (Hersteller, Forscherin, etc.) ergeben in Abhängigkeit davon, ob es sich handelt um
- eine klinische Prüfung als Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke, ausgelöst durch den Hersteller,
- eine klinische Prüfung ohne dass diese Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke wird, initiiert durch den Hersteller,
- eine klinische Prüfung zur Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung, initiiert durch wissenschaftlich tätige Ärzt:innen, Kliniken oder universitäre Einrichtungen.
In den Fällen 1 und 2 ist ein rechtlicher Vertreter des Sponsors in der EU erforderlich, falls der Sponsor außerhalb der EU ansässig ist.
Möglich ist also, dass klinische Prüfungen zum Nachweis eines Zusatznutzens (z.B. Vergleich mit Wettbewerbern oder der gängigen Behandlungspraxis) für Erstattungszwecke notwendig sein können, ohne Teil des PMCF-Plans zu sein. Dies gilt z. B. für den Nachweis des medizinischen (i.S.v. § 139 SGB) oder klinischen (i.S.v. Art. 62 (1) b)) Nutzens, weil dies z. B. durch den G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) oder das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) mit Blick auf die Erstattung durch gesetzliche Krankenkassen gefordert wird.
Nachfolgend Praxisbeispiele zur Verdeutlichung:
Fallbeispiele für Szenario 1: Herstellerinitiierte Prüfung als Teil der klinischen Bewertung
Ein Hersteller eines Medizinprodukts initiiert eine klinische Prüfung als Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke. Hierdurch gelten die Art. 62 – 81 MDR, aber aufgrund der Nichtanwendbarkeit von Art. 74 (1) Satz 1 MDR wäre dieser Studientyp durch die Regelungen der MDR nicht explizit abgedeckt und auch nicht vom MPDG erfasst und die Studie wäre in Deutschland auf der Grundlage einer berufsrechtlichen Beratung durch die Ethikkommission und ohne die Einbindung der Behörde durchführbar.
Beispiel 1:
Ein Hersteller führt eine klinische Prüfung als prospektive randomisiert-kontrolliert Studie durch, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit eines neuen CE-gekennzeichneten digitalen Blutdruckmessgeräts zu bestätigen. Die Teilnehmer der Studie werden keiner zusätzlichen invasiven oder belastenden Prozedur unterzogen. Die Ethikkommission berät die Studie, ohne dass eine Einbindung der Behörde erforderlich ist.
Beispiel 2:
Ein Hersteller initiiert eine klinische Prüfung, um die Wirksamkeit seines CE-gekennzeichneten Nebulisators zur Verabreichung von Medikamenten bei Atemwegserkrankungen zu untersuchen, und zwar im Rahmen einer einfach-verblindeten monozentrischen Studie. Die Prüfung erfolgt im Rahmen der klinischen Bewertung zur Konformitätsbewertung gemäß MDR. Die Studie wird von der Ethikkommission geprüft, aber es ist keine zusätzliche behördliche Genehmigung notwendig.
Beispiel 3:
Ein Hersteller testet ein neues elektronisches Thermometer mit CE-Kennzeichen, das eine schnellere und genauere Temperaturmessung und kontinuierliche Dokumentation verspricht, im Rahmen der Zweckbestimmung als multizentrische Studie. Die klinische Prüfung wird als Teil der klinischen Bewertung zur Konformitätsbewertung durchgeführt. Die Ethikkommission gibt eine berufsrechtliche Beratung, und die Behörde wird nicht einbezogen.
Fallbeispiele für Szenario 2: Herstellerinitiierte Prüfung außerhalb der klinischen Bewertung
Initiiert ein Hersteller eines Medizinprodukts eine klinische Prüfung, ohne dass diese Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke wird, ist Art. 82 MDR einschlägig. Im Ergebnis bedürfte es aber auch in Deutschland für die Durchführung der klinischen Prüfung nur einer berufsrechtlichen Beratung durch die Ethikkommission ohne die Einbindung der Behörde.
Beispiel 1:
Ein Hersteller führt eine klinische Prüfung durch, um den Zusatznutzen und die Sicherheit einer CE-gekennzeichneten aktiven Bewegungsschiene zur Rehabilitation zu bewerten. Die Prüfung ist nicht Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke, sondern findet im Rahmen eines Erprobungsverfahrens statt.
Beispiel 2:
Ein Unternehmen entwickelt eine medizinische App zur Gewichtsreduktion und positiven Beeinflussung des metabolischen Syndroms und führt eine klinische Prüfung durch, um die Wirksamkeit im Vergleich zu bestehenden Produkten zu bewerten. Diese klinische Prüfung dient nicht der Konformitätsbewertung, sondern der Optimierung des Produkts und Verbesserung der Marktposition. Die Ethikkommission berät die Studie, und es ist keine behördliche Genehmigung erforderlich.
Beispiel 3:
Ein Hersteller einer medizinischen Software zur Raucherentwöhnung strebt die Aufnahme seines CE-gekennzeichneten Medizinprodukts im DiGA-Verzeichnis des BfArM an und führt eine dezentrale digitale klinische Studie durch, neben den Mindestanforderungen wird noch eine Langzeitnachbeobachtung durchgeführt. Diese klinische Prüfung ist nicht für die Konformitätsbewertung vorgesehen, sondern für die Erstattung durch die Krankenkassen und um eine bessere Verhandlungsposition für die Preisgestaltung zu erreichen.
Fallbeispiele Szenario 3: Arzt- oder Klinikinitiierte Prüfung (IIT)
Beispiel 1:
Ein Krankenhaus führt eine klinische Prüfung durch, um die Wirksamkeit eines neuen Wundverbands bei der Heilung chronischer Wunden zu untersuchen. Diese Studie wird von den Ärzten des Krankenhauses initiiert und als wissenschaftliche Fragestellung betrachtet. Die Ethikkommission berät die Studie, ohne dass eine behördliche Genehmigung erforderlich ist.
Beispiel 2:
Ein Arzt initiiert eine klinische Prüfung, um die diagnostische Genauigkeit eines neuartigen Labortests für die Krebsfrüherkennung zu untersuchen. Die Studie wird als interne wissenschaftliche Fragestellung eingestuft und von der Ethikkommission geprüft, ohne dass eine behördliche Genehmigung notwendig ist.
Beispiel 3:
Eine Universitätsklinik führt eine klinische Prüfung durch, um die Effekte eines neuen Physiotherapieprogramms auf die Rehabilitation nach Knieoperationen zu bewerten. Diese Untersuchung wird als wissenschaftliche Fragestellung betrachtet und von der Ethikkommission beraten, ohne dass eine behördliche Genehmigung erforderlich ist.
Alle diese Szenarien wurden zur Prüfung und Diskussion gegeben an Vertrter:innen des AKEK (Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen), des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMEd) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für klinische Prüfungen von CE-gekennzeichneten Medizinprodukten der Risikoklassen I und IIa in Deutschland, die im Rahmen der Zweckbestimmung und ohne zusätzliche invasive oder belastende Verfahren durchgeführt werden, unabhängig vom Initiator (Hersteller oder Ärzte) eine Beratung durch die zuständige Ethikkommission ausreicht, während eine Einbindung der Bundesoberbehörde nicht erforderlich ist, wobei sich je nach Szenario unterschiedliche weitere Pflichten für den Sponsor ergeben können.
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