Was kann alles in einer klinischen Prüfung schieflaufen? Risikomanagement auf höchstem Niveau

Hindernisse, Risiken und Probleme in regulierten klinischen Studien‍

Klinische Prüfungen, klinische Studien, Leistungsstudien oder andere wissenschaftliche Vorhaben mit Medizinprodukten sind komplexe Unterfangen, die wie andere Dinge, zum Beispiel ein Brückenbau, in die Hände von erfahrenen Spezialisten gehören.

Bei der Durchführung komplexer Projekte kommt es neben einer sorgfältigen Konzeption und Planung auf ein konstantes Risikomanagement an, wodurch Risiken und Probleme frühzeitig identifiziert, gesteuert und überwacht werden.

Risikomanagement klinischer Studien - Herausforderungen für Spezialisten

Bevor ein solches Vorhaben überhaupt begonnen werden kann, werden sorgfältig, iterativ und anhand aktueller Datenlage alle einzelnen Elemente und aber auch das Ganze als die Summe aller Teile bezogen auf mögliche Risiken und Probleme evaluiert. Nur unter stringenter Einhaltung aller Gesetze und Verordnungen, den internationalen Leitlinien, darüberhinausgehender Regulatorik, technischen und wissenschaftlichen Aspekten kann die Sicherheit, Würde und Unversehrtheit aller Teilnehmenden an so einem Vorhaben gewährleistet werden und ein solche Vorhaben überhaupt im Sinne der wissenschaftlichen Fragestellung erfolgreich abgeschlossen werden.

Am Anfang eines Vorhabens muss eine Balance gefunden werden zwischen bestmöglicher Vorbereitung und dem Start eines Vorhabens. Für diese Abwägung sind alle Elementes des Risikomanagement relevant. In MEDIACC wurde hierfür eine standardisiertes Verfahren entwickelt, um klinische Prüfungen, klinische Studien, Leistungsstudien oder andere wissenschaftliche Vorhaben anhand in einem mehrdimensionalen Prozesse unter multifaktorieller Analyse einer bestimmten Risikoklasse zuzuordnen.

Wir lassen uns kurz in die Karten blicken und geben Einblicke in die Identifikation und mögliche Bewältigung dieser Herausforderungen aus unserer langjährigen Erfahrung heraus zur Minimierung von Risiken und Problemen.

Mögliche Probleme und Risiken bei klinischen Studien sind:

(Wichtig: dies ist hier verständlicherweise keine vollumfängliche Aufstellung, sondern eher im Sinne einer Übersicht und beispielhaft und legt auch keine einzelnen Probleme dar.)

1. Regulatorische Herausforderungen

  • Komplexität der Vorschriften: Die Identifikation, Zuordnung eines klinisch-wissenschaftlichen Vorhabens und dessen nachfolgende Einhaltung von unter anderem MDR, IVDR, MPDG und ISO 14155:2021-05 sowie bei digital durchgeführten klinischen Studien (DDCT-MED®) der EMA/INS/GCP/856758/2018 und auch sonstiger verbindlicher internationaler Leitlinien erfordert langjährige praktische Erfahrung und ein tiefes Verständnis der regulatorischen Anforderungen. Fehler bei der Interpretation oder Umsetzung können zu (schweren) Verletzungen oder Erkrankungen bei Studienteilehmenden oder Studienpersonal, Verzögerungen oder sogar zum -notwendigen - Abbruch einer Studie führen.
  • Änderungen in den Vorschriften: Regulatorische Anforderungen können sich während der Laufzeit einer Studie ändern, wodurch Anpassungen und zusätzliche Ressourcen erforderlich werden. Hierzu gehört auch, dass im Laufe eine Vorhabens neue unvorhersehbare Probleme und Situationen auftreten können, die eine Anpassung notwendig machen. In den letzten wenigen Jahren sind umfangreiche Gesetzesänderungen bzw. Neuregelungen in Kraft getreten, für deren Umsetzungen gutes Personal oft noch nicht geschult oder trainiert ist. Außerdem gibt es in diesem Bereich oft noch nicht harmonisierte, geschweige denn nachlesbare Auslegungen.

2. Projektmanagement und Koordination

  • Multidisziplinäre Zusammenarbeit: Klinische Studien (Prüfungen, Leistungsstudien oder andere wissenschaftliche Studien) erfordern die Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen, Kliniken oder anderer Unternehmen. Eine nicht von Anfang an klare Koordination führt zu Kommunikationsproblemen und ineffizienten Arbeitsabläufen. Unterschiedliche, falls überhaupt vorhandene, Prozesse und Standardarbeitsverfahren (engl. standard operating procedures, SOP) müssen abgeglichen und ggf. vereinheitlicht werden. Für die Dauer des Vorhabens ist eine gemeinsame Kultur sinnvoll und wird oft gewünscht. Hierauf wird jedoch oft nicht geachtet und das fehlende Bereitstellen an Ressourcen kann zu weiteren Problemen oder später höheren Kosten führen.
  • Langfristige Planung: Studien, die ein oder mehrere Jahre nach der ersten Konzeption dauern, erfordern eine langfristige Planung und flexible Anpassungsstrategien, um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Diese Herausforderungen kommen üblicherweise aus allen Bereichen des täglichen Lebens und häufen sich zwangsläufig mit längerer Dauer bzw. höherer Komplexität aus Faktoren, die in den anderen Punkten mit aufgenommen sind.

3. Finanzielle Risiken

  • Budgetüberschreitungen: Klinische Studien sind kostspielig. Fehlendes Wissen und Erfahrungen auf Seiten der Sponsoren im Medizinproduktbereich machen die Zuordnung eines adäquaten Budgets trotz Beratung schwierig. Oft werden unrealistische Erwartungen an so ein Vorhaben gestellt oder nicht sorgfältig geplant und weitere mögliche Sparwünsche führen dann zu hohen Folgekosten. Außerdem lassen unvorhergesehene Ausgaben, die sich durch ein beliebiges anderes Problem ergeben, das Budget schnell überschreiten. Sorgfältige Finanzplanung, das Vorhalten eines ausreichenden Puffers und regelmäßige Überprüfungen sind unerlässlich.
  • Finanzierungsengpässe: Alle Studien können aus unterschiedlichen Gründen von Finanzierungsengpässen betroffen sein, insbesondere wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen ändern, zusätzliche Mittel benötigt werden oder auch eine Studie schneller läuft als geplant. Oft führen auch nicht vorhersagbare Warte- und Bearbeitungszeiten bei Behörden und Ethik-Kommissionen mit daraus resultierenden Störungen von Prozessen zur Problemen. Diese strapazieren oft die gute kaufmännische Planung, Vorgehen und Erfahrungen.

4. Datenmanagement und Qualitätssicherung

  • Datenintegrität, -verfügbarkeit, -vertraulichkeit und -authentizität: Die Erfassung, Verarbeitung und Speicherung von Studiendaten muss höchsten Qualitätsstandards entsprechen, um die Integrität -verfügbarkeit, -vertraulichkeit und -authentizität der Daten zu gewährleisten. Fehler im Datenmanagement können die Validität der Studienergebnisse gefährden. Hierfür ist der Aufwand für ein Informationssicherheits-Managementsystem unerlässlich notwendig, siehe auch hier.
  • Unvollständige, fehlerhafte oder nicht verwertbare Datensätze: Regelmäßige Überwachung, Qualitätssicherung und Audits sind notwendig, um sicherzustellen, dass die Studie den regulatorischen Anforderungen entspricht und die Datenqualität gewährleistet ist. Alleine dieser Aufwand sorgt dafür, dass schlussendlich eine klinische Studie überhaupt aussagekräftig sein kann.

5. Teilnehmerrekrutierung und -bindung

  • Rekrutierungsschwierigkeiten: Die Rekrutierung einer ausreichenden Anzahl von Studienteilnehmern kann eine Herausforderung darstellen, insbesondere bei seltenen Krankheiten oder komplexen Einschlusskriterien. Unterschieden werden muss grundsätzlich, ob in Zentren unter Zuhilfenahme von klinisch tätigem Personal oder zum Beispiel über diverse Kanäle im Internet und dann in spezialisierten Callcentern (z. B. DTC-MED®). Umfängliche, vertrauensvolle, einfach zu verstehende und transparente Aufklärungen in für die Studienteilnehmende ansprechend gestalteten Studien entscheiden darüber, ob Menschen bereit sind, an einer klinischen Studie teilzunehmen.
  • Teilnehmerbindung: Die langfristige Bindung der Teilnehmenden mit zeitnahem Einhalten aller Visiten, dem korrekten und vollständigem Ausfüllen von Fragebögen, Einhalten aller Studienvorgaben und Durchhalten aller für sie ggf. belastenden und invasiven Verfahren ist ein zentraler Aspekt. Neben dem Einsatz von motivierenden, jedoch nicht in die Studie eingreifenden Elementen, ist eine gute und menschlich zugewandte Betreuung essentiell. Dies gilt natürlich auch für komplett digital durchgeführte klinische Studien. Hohe Abbruchraten beeinträchtigen die Aussagekraft der gesamten Studie.

6. Ethik und Einwilligung

  • Einwilligungsprozess: Der Prozess zur Einholung der informierten Einwilligung muss transparent und umfassend sein, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer vollständig über die Studie informiert sind und freiwillig teilnehmen.
  • Ethikkommissionen: Die Zustimmung der Ethikkommissionen ist erforderlich, und deren Anforderungen können variieren, was zusätzliche Herausforderungen bei der Genehmigung der Studie mit sich bringt. Integraler Bestandteil eines Prüfplan, der der Ethik-Kommission zur Beratung vorgelegt wird, ist eine Risikoanalyse mit Risiko-Nutzen-Abwägung, wobei eine Risikominimierung auf ein akzeptables Niveau durch alle möglichen Maßnahmen erfolgen muss, damit das Vorhaben überhaupt bewilligt werden kann.

7. Medizinprodukte und Indikationen

  • Risikoklassen von Medizinprodukten: Produkte in höheren Risikoklassen unterliegen strengeren regulatorischen Anforderungen und benötigen umfangreichere klinische Daten und eine insgesamt umfangreichere Überwachung, Dokumentation und Maßnahmen zur Risikominimierung. Hierdurch steigen Art um Umfang der notwendigen Arbeiten.
  • Indikationen und Besonderheiten besonderer Krankheitsentitäten: klinische Prüfungen oder Studien für Produkte, die für sehr spezifische Indikationen entwickelt wurden, können Schwierigkeiten bei der Rekrutierung ausreichender Teilnehmerzahlen haben. Krankheitsentitäten, die häufig von schweren unerwünschten Ereignissen, spontan sich ändernden Krankheitsverläufen oder sich häufig ändernden Begleittherapien betroffen sind, sind aufwendiger in der Konzeption und schwieriger in der Durchführung. Gelegentlich sind dann klinische Untersuchungen auch so belastend, dass sie sehr herausfordernd sind.

8. Besonderheiten bei digitalen klinischen Studien (DDCT-MED®)

  • Digitales und rechtliches Umfeld: nicht ausreichend durch zeitgemäße Gesetze und Leitlinien reguliert. Die technischen Möglichkeiten ermöglichen ethisch einwandfreie, effiziente, größere Teilhabe und deutlich sicherere Prozesse und Arbeitsweisen. Allerdings kommen Gesetze und Leitlinien nicht in ausreichendem Maße diesen Entwicklungen hinterher. Dies führt zu fehlender Leitung für Akteure in diesem Feld und auch fehlender Akzeptanz und konsekutiver Ablehnung durch Behörden und Kommissionen.
  • Informationssicherheits-Managementsystem: Umfangreiche Maßnahmen und strikte Einhaltung von innovativen Prozessen sind nötig, um die Sicherheit, Integrität, Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Authentizität von den erfassten hochsensiblen Daten zu schützen und die Nutzbarkeit sicherzustellen.  Die großen Chancen, die sich durch den Einsatz digitaler Technologien ergeben, wie effizientere Prozessen, Skalierbarkeit und verbesserte Datensicherheit, werden im agilen Umfeld erkauft durch einen hohen Aufwand und es bedarf gut geschultes digitalaffines Personal, um diese Studien durchführen zu können.

weitere umfangreichere Aufstellung, siehe hier

8. Wissenschaftliche Richtigkeit

  • Studiendesign, Fragestellung: Nur die Beantwortung der korrekt gestellten Frage mit dem dazu passenden Studiendesign im richtigen Umfeld führt zu glaubwürdigen, aussagekräftigen und verlässlichen Ergebnissen, die später durch Gutachter in Behörden oder Leitlinien akzeptiert werden. Gründliche und sorgfältige Kenntnisse verbunden mit langjähriger Erfahrung sind hier der Schlüssel zum Erfolg durch Relevanz, Machbarkeit, interne und externe Validität und Glaubwürdigkeit.
  • Einhalten der Vorgaben des klinischen Prüfplans: Auch wenn hier äußerst sorgfältig und mit ausreichender Ausführlichkeit in diesem zentralen Dokument alle wesentlichen Informationen zur Durchführung enthalten sind, müssen hieraus alle Arbeitsschritte konsistent abgeleitet, geschult, trainiert und gelebt werden. Nur durch dessen Einhaltung über den gesamten Ablauf durch alle Beteiligte kann die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit, methodische Qualität und die regulatorischen Vorgaben eingehalten werden.

9. Schwarze Schwäne in der Realität der klinischen Forschung

  • Auftreten von Situationen oder Problemen, die bislang nicht aufgetreten sind können durch den Einsatz von Spezialisten mit langjähriger Erfahrung reduziert, nicht jedoch komplett verhindert werden.

Fazit - konsequentes Risikomanagement als Grundlage für klinische Studien

Die Durchführung klinischer Studien ist ein komplexes Unterfangen, das zahlreiche Herausforderungen und Risiken mit sich bringt. Eine sorgfältige Planung, ein effektives Projekt- und konsequentes Risikomanagement sowie die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen sind entscheidend für den Erfolg. Durch die frühzeitige Identifizierung und Bewältigung potenzieller Probleme kann die Integrität und Aussagekraft einer Studie sicherstellen und letztlich zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen. Diese Elemente bilden die Grundlage für ein effektives Risikomanagementsystem, das alle Beteiligten in einer klinischen Studie oder Prüfung dabei unterstützt, Risiken proaktiv zu identifizieren, zu bewerten und zu steuern, um die Ziele mit einer erfolgreichen Studie zu erreichen.

Grundsätzlich gilt für klinische Prüfungen - wie für jedes komplexe Vorhaben -, dass alles was schiefgehen kann, dies auch wird und sich dann an der Schnittstelle von Projektvorbereitung und Realität entscheiden wird, ob das Vorhaben (doch noch) zu den erfolgreichen gehören wird.

Für mehr Informationen oder ein erstes unverbindliches Gespräch kontaktieren Sie uns gerne.

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